Filmprojekt

                    

                           „Die Kastelburger stellen sich vor“

 

      Kooperationsprojekt im Rahmen von „Neue Medien und Internet“

 

 

Im städtischen Notquartier in der Kastelburgstraße leben rund 140 Menschen, darunter immer  etwa 20-40 Kinder und Jugendliche. Keines der Zimmer hat Telefonanschluss, damit ist ein eigener Zugang zum Internet für die Kinder und Jugendlichen nicht möglich. Die Fluktuation ist hoch, manche Kinder wohnen dort jahrelang, andere nur einige Monate.

 

Die Kinder und Jugendlichen in den Notquartieren sind in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Ihre Familien sind arm, so dass sie die meisten kommerziellen Freizeitangebote nicht wahrnehmen können. Viele sind MigrantInnen, leben häufig isoliert von der Mehrheitsgesellschaft und kommen aus sozialen Umfeldern mit sehr traditionellen engen Rollenvorstellungen. Die Idee des Projekts war, diesen Kindern durch Film, PC und Internetnutzung Zugang zu  modernen Kommunikations- und Ausdrucksmitteln zu ermöglichen.

 

Das Projekt sollte eine intensive tägliche Beschäftigung mit Kamera und PC anbieten, die Kinder an die Technik heranführen und natürlich ein Ferienangebot sein für Kinder, deren Familien sich im Regelfall keinen Urlaub leisten können. Dazu sollten sie Video-Interviews miteinander führen und das eigene Lebensumfeld multimedial erforschen.

 

Bei der Vorbesprechung ergab sich, dass die Kinder unbedingt einen richtigen Film, und zwar einen Horrorfilm machen wollten, und sie hatten in kurzer Zeit eine Story geplant.

Die Story kam mir durchaus wie eine fantasievolle Beschreibung ihrer Lebenswelt vor: Ein Kind geht in die Waschküche, um die Wäsche zu holen, wird dort in einen Untoten (eine Mumie) verwandelt, infiziert noch zwei weitere Kinder, bevor die anderen Kinder sie alle drei retten können. Hilfe von Erwachsenen erhoffen sie sich nicht, sie müssen selber damit fertig werden. Im Notquartier leben die Kinder neben Alkoholikern und Drogenabhängigen, und der Gang zum Duschen oder Wäscheholen in den Keller mag durchaus mit großen Ängsten verbunden sein, die sie hier in eine verfremdete Horrorgeschichte transformieren.

 

Wir beschlossen also ein Drehbuch und begannen gleich, die Entdeckung der Mumie und das Fangen von 2 Kindern in der Waschküche zu proben. Um ihnen am nächsten Tag zu zeigen, wie so etwas geschnitten aussieht, hatte ich eine kleine Handkamera dabei und filmte. Außerdem wollte ich dadurch vermitteln, wie wichtig bei Filmaufnahmen Ruhe und Disziplin sind, indem wir gleich das Ritual einführten - Alle bereit? Kamera bereit? – Kamera läuft. 3, 2, 1, Action! Die Kinder hatten das Ritual in kürzester Zeit intus. Sie waren Feuer und Flamme. Die größeren übernahmen die Kamera und die Regie, die mittleren durften Ton angeln. Unsere jüngste Schauspielerin war anderthalb. Sie war zum Babysitten bei ihrem Bruder abgeliefert worden, so dass wir notgedrungen auf sie aufpassen mussten, wenn wir nicht einen Schauspieler verlieren wollten. Nebenbei machten die Kinder gleich noch Making-off Aufnahmen. Bewohner der Unterkunft halfen bei diversen Einlagen und Nebenrollen. Die Kids hängten sich irrsinnig rein und gaben alles, trotz diverser technischer Probleme, Überbelichtungen, Kameraausfällen, nicht eingelegten Kassetten, fehlender Aufnahmen, Streits etc.

Nach den Dreharbeiten verabredeten wir uns dann für die darauffolgende Woche im Medienzentrum zum Schneiden. Letztendlich schnitten die zwei Großen, eine den Film, der andere das Making-Off, die anderen nutzten die Gelegenheit im Medienzentrum zu ausgiebigen Ausflügen ins Internet. Der Schnitt dauerte mit Unterbrechungen etwa zwei Wochen und schloss mit der Produktion einer DVD für alle Beteiligten.

Die DVDs sind so gestaltet, dass man sie auch auf DVD-Player sehen kann, weil die meisten Kinder keinen PC haben. Alle Kinder wollten eine DVD, waren aber skeptisch, das Projekt im Internet öffentlich zu machen.

Der Film wurde im Notquartier selbst sowie im Jugendzentrum Aubing präsentiert. Außerdem lief er am 30.11.06 im Flimmern&Rauschen-Festival.

 

Fazit:

Es war toll anzusehen, wie konzentriert unsere teilweise fast analphabetischen „Ghettokids“ an ihren Drehbüchern arbeiteten, wie kooperativ, geduldig und ausdauernd sie drehten, von den üblichen kleinen Streits und Albernheiten abgesehen. Film ist IHR Medium, das sie begeistert, in dem sie sich als leistungsfähig erleben können, das sie verstehen.